Unten folgend eine Stellungnahme zur Zivil- und Transparenzklausel von Studierenden des Studiengangs Friedens- und Konfliktforschung.
Alle reden vom Frieden, wir nicht! –
Eine Zivilklausel für die Universität Augsburg!
Das
Hohe Friedensfest der Stadt Augsburg 2012 gab die Richtung vor, nicht mehr nur
zu reden, sondern auch zu handeln. Zum Frieden tragen nicht diejenigen bei, die
nur friedsam sind und schweigen, sich allein im Alltag moralisch angemessen
verhalten. Der Frieden will geschaffen werden und er fordert ein klares
Bekenntnis und eine streitbare Zivilbevölkerung, die sich beharrlich um Frieden
bemüht und in den Institutionen dieser Gesellschaft eine kritische
Auseinandersetzung mit Gewalt und Krieg ermöglicht.
Das
Engagement der Initiative Friedliche Uni Augsburg ist ein solches beharrliches
Bemühen um eine friedliche Welt. Die Universität in der Friedensstadt Augsburg
soll sich zu einer Universität wandeln, die mutig genug ist, Einflussnahme
durch Militär und Rüstungskonzerne auf den universitären Betrieb abzuwehren und
die Forscher*innen und ihre Unabhängigkeit zu stärken! Das wollen wir Unterzeichnende
als kritische Konfliktforscher*innen unterstützen.
Selbstbestimmung und
Forschungsfreiheit
Eine
Zivilklausel, die in der Grundordnung der Universität verankert wird und
grundlegende Transparenz bezüglich der Auftraggeber*innen als auch der
Zielsetzung der Forschung verlangt, sollte den Forscher*innen ermöglichen, ohne
Nachteile von Forschungsprojekten zurückzutreten, die mit ihrer Weltanschauung
nicht vereinbar sind. Die Zivilklausel soll als ein Gebot verstanden werden, im Sinne des Friedens und der
Friedensfinalität der deutschen Verfassung (Art.1, Abs. 2 GG) zu forschen, und nicht als Verbot der Forschung für
militärische Zwecke. So wird einerseits weder die Forschungsfreiheit der bzw.
des Einzelnen beschnitten, noch entsteht den Forscher*innen andererseits ein
Nachteil, wenn sie auf Basis ihrer persönlichen Überzeugungen einen
Forschungsauftrag ablehnen. Eine Zivilklausel trägt damit zu einer kritischen
Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Forschung, sowie zur Demokratisierung
der Universität und Aufrechterhaltung eines kritischen Diskurses bei. Es geht uns
nicht darum, das Internet ent-finden zu wollen oder die Forschung an Glasfaserkabeln
zu verbieten. Es geht stattdessen um die Frage, ob und weshalb eine Universität
für Militär und Rüstungskonzerne forschen will. Wir sollten nicht aus Angst vor
einem komplizierten Verfahren zur Zivilklausel von der Beantwortung dieser
Frage zurückstehen!
Unabhängigkeit
von Lehre und Forschung
Unbestritten
ist, dass heutige Hochschulen von der Zuwendung von externen Drittmittelgeber*innen
abhängig sind. Allerdings sollte es möglich sein, Drittmittelanteile, die von
Rüstungskonzernen oder dem Militär für die Forschung an die Universität
fließen, von weniger umstrittenen Geldgeber*innen zu decken. Die Universität
Augsburg erhielte mit der Zivilklausel vielmehr ein Alleinstellungsmerkmal, das
überregional für sie werben sowie besonders zivile Drittmittelgeber*innen
anziehen wird.
Ohne
eine Zivilklausel sehen wir außerdem in der Kooperation mit dem Innovationspark
die Integrität der Universität Augsburg in Gefahr, die an einem Ende einen
Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung unterhält und am anderen Ende kritiklos
mit Firmen zusammenarbeitet, die in erheblichem Ausmaß auch in die
Rüstungsforschung und -industrie involviert sind. Als Konfliktforscher*innen
der Universität Augsburg sehen wir uns sowohl in unserer Lehre und Forschung untergraben als auch unseren Ruf als
unabhängige, kritische Fakultät gefährdet, wenn an Fakultäten der gleichen
Universität aktiv Rüstungsforschung, vor allem im Bereich der Luft- und
Raumfahrt, betrieben wird. Die Universität und der Masterstudiengang stehen hier
im Widerspruch zueinander und müssen sich dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit
ausgesetzt sehen. Das macht in unseren Augen ein klares Bekenntnis zum Frieden
und damit zu einer Zivilklausel notwendig.
Die
Zivilklausel birgt darüber hinaus die Chance, Haltungen zu Frieden und zur Forschungsfreiheit
zu prüfen. Forschungsfreiheit bedeutet seit den Bologna-Reformen nämlich zuallererst
für einen freien Markt zu forschen. Eine Zivilklausel setzt dem eine
unabhängige Entscheidung entgegen und berührt die Forschungsfreiheit nur
insofern, als dass die Universität und ihre Forscher*innen es selbst sind, die
sich herausnehmen „Nein“ zu Forschungsvorhaben zu sagen und „Nein“ zur Manipulation
durch Militär und Rüstungskonzerne. Mit der Zivilklausel wird dem massiven
Einfluss durch ökonomische Prinzipien auf die Belange der Universität ein
unabhängiges Entscheidungsverfahren auf Basis von selbstbestimmten Ethikkodizes
entgegengestellt. Die Universität beweist damit, dass sie als unabhängige
Forschungseinrichtung existiert, die nicht nur eine maximale Drittmittelakquise
zum Ziel hat. Die Forschung bekäme ein „humanes Gesicht“, wie es die
Universitätspräsidentin Frau Doering-Manteuffel gegenüber dem Bayrischen
Rundfunk als ein Ideal für die Universität Augsburg formulierte.[1]
Wie positioniert sich
die Universität Augsburg?
Als
Studierende der Sozialwissenschaftlichen Konfliktforschung am Lehrstuhl für
Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung erkennen auch wir die
Probleme, die mit der Zivilklausel einhergehen. Fragen um die dual use- Problematik, und die
Schwierigkeit der Unterscheidung von Forschungsprojekten in zivil/militärisch
sind aber keine der Zivilklausel entgegenstehenden Argumente, sondern machen
die Notwendigkeit einer kritischen Beschäftigung mit Forschung deutlich. Auch
die Lehre vom Gerechten Krieg wirft moralisch anspruchsvolle Fragen auf, z.B.
die Frage nach einer militärischen Intervention im Sinne der „Responsibility to
Protect“. Die Zivilklausel kann und soll hier keine eindeutigen Antworten und
Entscheidungsoptionen vorgeben. Die Arbeit der sicherlich stärker berührten
Kolleg*innen an der mathematisch- naturwissenschaftlichen Fakultät und der
Fakultät für angewandte Informatik, aber auch die Arbeit in den
Sozialwissenschaften, insbesondere der sozialwissenschaftlichen
Konfliktforschung, könnte dadurch ernsthaft beeinträchtigt werden. Das zeigt
allerdings, dass auch mit der Zivilklausel nicht alle Debatten um den Frieden
und seine Bedeutung zum letztgültigen Schluss geführt sind. Mit ihr beginnen
erst die kritischen Auseinandersetzungen. Es müssen Grenzfälle verhandelt und
gemeinsame Positionen vereinbart werden. Die Universität Augsburg hat hier die
Möglichkeit, mit der Zivilklausel einen klaren Standpunkt zu beziehen und sich
als informierter Akteur in der Auseinandersetzung mit der Wirtschaft wirkungsvoll
Gehör zu verschaffen. Dieser Diskurs sollte nämlich mehr enthalten als ein
bloßes Befürworten einer wissenschaftsethischen Diskussion oder einer
toleranten Haltung gegenüber einer oppositionellen Meinung. Wir benötigen eine
fruchtbare Kontroverse um Forschung, Verantwortung und Frieden!
Ausgestaltung und
Umsetzung der Zivilklausel
Für
eine Zivilklausel sprechen wir uns aus, weil vier Annahmen durch sie verfolgt werden,
die als unabdingbar und grundlegend für jegliche Forschung gelten sollten: 1.
ein ethischer Grundkonsens, 2. Transparenz, 3. ein permanent geführter
kritischer Diskurs, 4. Einsetzung einer verantwortlichen Kommission.
Zu
erstens: Unter einem ethischen Grundkonsens verstehen wir schlicht die Absage
an Rüstungsforschung. Dual use- Problematiken
können und sollen hierdurch nicht abgedeckt werden. Die ausdrückliche und
festgeschriebene Absage an Rüstungsforschung in einer Zivilklausel setzt jedoch
ein Zeichen und ist auch in der deutschen Verfassung durch die
„Friedensfinalität“ theoretisch vorgegeben.
Hieraus
ergibt sich die zweite Annahme: Transparenz, die für die anderen Prinzipien
ausschlaggebend ist. Bei jedem Forschungsantrag soll gekennzeichnet werden, um
was es sich in dem jeweiligen Projekt handelt und was Ziel- und
Verwendungszwecke der Inhalte und Ergebnisse sein sollen. Einsicht in diese
Kennzeichnung sollten mindestens alle am Projekt Mitarbeitenden erhalten sowie
ein eigens installiertes Gremium (s.u.). Nichts würde dadurch verboten, sondern
eine angemessene Grundlage für die dritte Annahme geschaffen.
Drittens:
Ein permanent geführter kritischer Diskurs soll durch eine Zivilklausel gefördert
werden. Die allgemeine Diskussion in jeglichen Fachbereichen der Universität
Augsburg wird damit auf eine andere Ebene gehoben. In einem stetigen Prozess
können durch sie Normen und Werte ausgehandelt werden, die an unserer
Universität gelten und sich permanent wandeln können. Die Auseinandersetzung
mit Wissenschaftsethik wird damit wieder mehr ins Bewusstsein aller Forschenden
rücken, was sehr zu begrüßen ist. Fachbereiche, die sich sonst weniger mit
wissenschaftsethischen Fragen beschäftigen, profitieren von der
interdisziplinären Behandlung des Themas, angegangen in gemeinsamen Seminaren
und Veranstaltungen zum Thema.
Viertens:
Ein Gremium, bestehend aus Lehrenden, Forscher*innen, dem Verwaltungspersonal
und den Studierenden soll als ein Forum der Diskussion um kritische Fälle
dienen. Transparent, pluralistisch und kontrovers sollen so Grenzfälle
diskutiert und eine gemeinsame Position gefunden werden. Unterstützt wird die
Kommission durch Ethikkodizes der Wissenschaft, die diskussionsleitend wirken
können.
Forderung nach einer
Zivilklausel
Die
Universität Augsburg wird mit der Einführung der Zivilklausel an Profil
gewinnen und sich in den Zeiten asymmetrischer Kriegsführung sowie deutscher
Rekorde im Waffenexport eindeutig für eine Forschung einsetzen, die zum Ziel
hat, die Welt friedlicher zu machen. Sie zieht sich nicht auf einen der Welt
enthobenen Standpunkt zurück, von dem aus die Forschung unschuldig und
unbeteiligt scheint. Das ist sie nicht! Das Motto des diesjährigen Hohen
Friedensfest lautet: „Niemand hat das Recht zu gehorchen“. Sehr wohl haben aber
Forscher*innen die Pflicht, ihre Forschung kritisch zu hinterfragen. Diesen
Anspruch würde die Universität mit einer Zivilklausel unterstützen.
Die Verfasser*innen:
Flora
Lisa vom Hofe, Kontakt: flvomhofe@gmail.com
Julia
Oschinski, Kontakt: juuliiaa@gmx.net
Simon
Oschwald, Kontakt: simon_oschwald@web.de
Unterzeichnende:
Annekatrin Gehre
Miriam Große-Hering
Stefanie Hitzler
Desislava Hristova
Laura Jantz
Dr. Alexander Jungmann
Katharina Koch
Natascha Koveshnikova
Christopher Krenz
Sebastian Kuschel
Sophia Koenen
Johannes Meyer
Julian Meyer
Julia Motzner
Marlene Roiser
Jeannette Schröter
Felix Schurer
Maartje Tubbesing
Svaantje Tubbesing
Marie Wagner
Stella Wendlandt
Christian Wimberger
[1] http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/alpha-campus/magazin/unipraesidentin-doering-manteuffel-augsburg100.html (zuletzt abgerufen am 12.07.2013).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen